PRESS RELEASE (Deutsch)
Deutsche Behindertenrechtsgruppe erfährt Diskriminierung am Strand von Egmond aan Zee
Egmond aan Zee, Niederlande – Ein kürzlicher Urlaub der deutschen Behindertenrechtsorganisation AbilityWatch e. V. wurde zu einer erschütternden Erfahrung, als sie am Strand von Egmond aan Zee diskriminiert und mit Gewalt bedroht wurden. Dieser Vorfall, bei dem der örtliche Strandkioskbesitzer Andries Konijn beteiligt war, unterstreicht erneut die Herausforderungen hinsichtlich Barrierefreiheit und Inklusion, denen sich Menschen mit Behinderungen ständig stellen müssen.
Am 29. Juli versuchten Mitglieder von AbilityWatch e. V., darunter Rollstuhlfahrer*innen, blinde Personen und Menschen mit anderen Behinderungen, den Tag am „Bad Zuid“ im niederländischen Touristenziel Egmond aan Zee zu verbringen. Der als einer der barrierefreisten Orte des Landes beworbene Strand wurde aufgrund seiner Rollstuhlgerechtigkeit ausgewählt, und die Gruppe übernachtete in einem nahegelegenen barrierefreien Hotel. Alle anderen erreichbaren Strände waren für die sieben Rollstuhlfahrer*innen der Gruppe ungeeignet.
Gegen Mittag traf AbilityWatch e. V. am Strandpavilion „Bad Zuid“ ein, dessen zementierter Weg der einzige mit Rollstuhl befahrbare Ort am Strand war. Die Gruppe aß, trank und genoss einen sonnigen Tag vor dem Kiosk. Als der Abend näher rückte, konfrontierte Konijn, der Besitzer des Kiosks und des nahegelegenen Strandausrüstungsverleihs, ein Mitglied von AbilityWatch e. V. und erklärte, dass die Gruppe nicht willkommen sei, da sie den ca. zehn Meter langen Weg vor dem Kiosk blockieren würden – ein Weg, der kurz danach im Sand endete. Konijn argumentierte, dass es Fußgänger*innen unmöglich sei zu passieren; gehende Personen, die einige Meter weiter ohnehin auf den Sand ausweichen würden. Konijn, der schriftlich gebeten wurde, sich zu den Ereignissen zu äußern, sagt: „Am ersten Tag kam die Gruppe mit etwa zwanzig Begleitpersonen auf meine Terrasse und blieb den ganzen Tag dort. Sie blockierten den Gehweg zur anderen Seite und nahmen Sonnenschirme, ohne zu fragen.“ Die Gruppe bestand aus maximal sieben Rollstuhlfahrern und acht gehenden Personen und bewegte öffentlich zugängliche Sonnenschirme, um etwas Schatten vor der brennenden Sonne zu haben. Sie mieteten und bezahlten auch zwei Sonnenschirme von Konijns Strandverleih.
Am folgenden Tag, dem 30. Juli, kehrte die Gruppe um 13 Uhr zum Kiosk zurück. Sofort kam der Besitzer wieder auf sie zu und bestand darauf, dass sie den Ort verlassen. Auf die Frage, ob sich jemand über ihre Anwesenheit beschwert habe, behauptete Konijn, es sei für „jeden“ problematisch. Eine Person an einem anderen Tisch, die die Situation beobachtet hatte, schritt ein und versuchte zu vermitteln. Sie versuchte Konijn zu überzeugen, dass es für Fußgänger*innen überhaupt kein Problem sei, durch den Sand zu gehen, während es für die Gruppe von Rollstuhlfahrer*innen am gesamten Strand keinen anderen zugänglichen Ort zum Verweilen gab. Die Mitglieder von AbilityWatch e. V. bezahlten erneut für Mittagessen und Getränke. Es ist zu erwähnen, dass zu jeder Zeit genug Platz war, damit jeder mit einem Rollator oder Kinderwagen vorbeigehen konnte. Um 16 Uhr kehrte der Besitzer mit seiner Freundin zurück, und beide bestanden nun darauf, dass die Gruppe das Gelände verlassen oder nebeneinander in einer Reihe stehen solle, wodurch sie nicht miteinander reden könnten. “Sie hörten auch nicht auf [meine Freundin], und deshalb rief sie die örtliche Behörde (nicht die Polizei) an, um zu fragen, was in dieser Situation zu tun sei. Sie sagten, man könne die Gruppe abweisen und rieten uns auchdazu,” antwortet Konijn.
Noch in derselben Nacht wurde der Weg, den die Rollstuhlfahrer*innen benutzten und der zur Plattform des Kiosks führte, mit Sand blockiert, wodurch ein weiterer Zugang verhindert wurde. Am 31. Juli versuchten Mitglieder der Gruppe die nationale Antidiskriminierungsstelle zu kontaktieren, erhielten jedoch keine Antwort. Die Gemeinde Bergen schickte eine Nachricht zurück, in der sie erklärten, dass sie nichts tun könnten, da es die Entscheidung des Geschäftsinhabers sei. Bis zum Abend des 31. Juli wurde der Sand entfernt.
Am 1. August eskalierte die Situation dann, als drei Mitglieder von AbilityWatch vom Besitzer mit einem Gabelstapler bedroht wurden. Er blockierte damit den Weg und versperrte den Ausgang für die Rollstuhlfahrer*innen. „Ich habe in meinem Leben viel Diskriminierung erfahren, aber nie zuvor hatte ich so große Angst um mein Leben wie in dieser Situation“, sagt Thomas Schulze zur Wiesch, eine der Betroffenen. „Er sagte, er würde die Sache jetzt auf seine Weise klären und fuhr mit dem Gabelstapler auf uns zu“, erinnert sich Schulze zur Wiesch. Die anderen beiden Augenzeug*innen bestätigten die Bedrohlichkeit der Situation. Konijn hingegen behauptet, er habe die Gruppe nicht bedroht, sondern lediglich den Weg blockiert.
Die Polizei wurde gerufen, kam zum Tatort, hörte sich beide Seiten an und inspizierte die Gegend, aber es wurde keine Anzeige aufgenommen. AbilityWatch e. V. wurde vom Gelände verwiesen. Die Pressestelle der örtlichen Polizei hat auf die Fragen von AbilityWatch noch nicht geantwortet, aber Senior-Sprecherin Felicity Bijnaar schickte eine Nachricht mit den Worten: „Es ist sehr bedauerlich zu hören, dass Sie diese Erfahrung in Egmond aan Zee gemacht haben. Niemand sollte sich bedroht oder diskriminiert fühlen. […] Soweit ich weiß, wurde die Polizei gerufen und über die Situation informiert. Soweit ich verstehe, hat sie versucht zwischen den Beteiligten zu vermitteln und die rechtlichen Möglichkeiten zu erklären. Nichtsdestotrotz können Sie jederzeit eine Anzeige bei der Polizei erstatten, sei es wegen Diskriminierung oder wegen Bedrohungen.“ Des Weiteren schreibt Bijnaar, dass auch ein Gabelstapler, jedes Auto oder andere Objekte, die nicht als Waffe konzipiert sind, aber unter Umständen als solche verwendet werden können, als eine Waffe gelten können. Auch die Bedrohung einer Person mit Gewalt könne eine Straftat sein.
„Diese Art der Diskriminierung ist inakzeptabel. Öffentliche Räume, insbesondere solche, die als barrierefrei beworben werden, müssen für alle wirklich zugänglich sein. Die Handlungen des Strandkioskbesitzers sind ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch von den Niederlanden unterzeichnet wurde“, kommentierte Constantin Grosch, Politiker und Rollstuhlfahrer.
Nancy Poser, Richterin und Mitglied von AbilityWatch e. V., fügte hinzu: „Barrierefreiheitsgesetze müssen stärker durchgesetzt werden und Geschäftsinhaber*innen müssen ein größeres Bewusstsein für die Bedeutung von Inklusion entwickeln. Was AbilityWatch e. V. in Egmond aan Zee passiert ist, ist nur ein Beispiel für die vielen Hürden, denen Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen weiterhin begegnen, selbst wenn sie einfach nur einen Tag am Strand verbringen wollen.“
Auch die Polizei hat laut Pressesprecherin die UN-BRK national implementiert in das
Programm “‘Politie voor Iedereen”, was so viel heißt wie “Polizei für alle”. “Während der
Ausbildung erwerben die Auszubildenden Kenntnisse über Diskriminierung und Minderheiten
und gesetzliche Rechte. Im weiteren Verlauf bekommen Polizeibeamt*innen Werkzeuge an
die Hand, um Diskriminierung zu erkennen und auf Vorfälle zu reagieren. Dies kann
Mediation, die Weiterleitung an Antidiskriminierungsorganisationen oder die Meldung von
Straftaten umfassen. Alles hängt von den jeweiligen Umständen ab”, sagt Bijnaar.
AbilityWatch e. V. ist eine Organisation, die sich für die Rechte und Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Deutschland einsetzt. Die Organisation konzentriert sich darauf, Diskriminierung zu bekämpfen und gleiche Chancen für Menschen mit Behinderungen zu fördern. Der kürzliche Vorfall in Egmond aan Zee dient als eindringliche Erinnerung an die Barrieren, die selbst in angeblich barrierefreien Reisezielen noch existieren. Neben der klaren Verletzung internationaler Menschenrechte zeigt das Verhalten des Kioskbesitzers, dass es vielen Menschen weiterhin an grundlegender Empathie als auch Verständnis für die alltäglichen Herausforderungen behinderter Menschen fehlt. Ereignisse wie dieses betonen die Notwendigkeit einer verstärkten Aufklärung und Sensibilisierung in der Gesellschaft. “Ich hasse Menschen mit Behinderungen nicht. Sie sind willkommen”, fügt Konijn an. Ob es dort bereits früher zu Auseinandersetzungen kam, dazu äußert sich die Polizei aufgrund von Privatsphäre und Datenschutz nicht.
AbilityWatch e. V. fordert die Behörden in den Niederlanden auf, diesen Vorfall gründlich zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle öffentlichen Räume für jede Person wirklich zugänglich sind. Darüber hinaus appelliert die Organisation an private Geschäftsinhaber*innen, die weltweit geltenden Barrierefreiheitsstandards umzusetzen und einzuhalten.
Update 05.08.2024: Ergänzung um zusätzliche Aussagen der Polizei.
Kontaktinformationen
Für weitere Informationen zu dieser Pressemitteilung oder zur Vereinbarung eines Interviews mit Vertreter*innen von AbilityWatch e. V. wenden Sie sich bitte an:
Karina Sturm
AbilityWatch e. V.