Risikopatienten in der ambulanten Versorgung

Nicht erst in den vergangenen Wochen müssen Menschen mit Behinderung oder chronisch kranke Menschen erleben, dass die Politik zu vergessen scheint, dass nicht alle Risikopatienten in stationären Pflege- oder Senioreneinrichtungen leben. Insbesondere pflegebedürftige Menschen, z.B. mit Muskelerkrankungen und ähnlichen neurologischen Grunderkrankungen können zu der Hochrisikogruppe während Covid19 gehören, auch bereits in jungen Jahren. Dazu sei auf die medizinische Stellungnahme der Risikoeinschätzung von Frau Prof. S. Spuler und Frau Dr. E. Gazzero, beide Charité Berlin, verwiesen.

Bei den jetzigen Maßnahmen und Unterstützungen werden ambulante Settings völlig ignoriert. Wir stellen fest, dass

  • der Zugang zu präventiven Antigen-Tests nur Menschen in (teil-)stationären Einrichtungen oder von ambulanten Pflegediensten und Diensten der Eingliederungshilfe zur Verfügung steht. Menschen, die ihre Pflege durch selbstbeschaffte Pflegekräfte organisieren – wie in der Persönlichen Assistenz – oder deren Pflege (größtenteils) durch Angehörige übernommen wird, haben keinen Anspruch auf präventive Antigen-Tests, auch dann nicht, wenn sie zur Hochrisikogruppe zählen;
  • unter die aktuelle Empfehlung der STIKO weder Hochrisikopatienten jünger als 80 Jahre außerhalb von Pflege- und Senioreneinrichtungen noch ihre selbstbeschafften Pflegekräfte oder Angehörige als der Gruppe 1 oder 2 zugehörig sieht;
  • dass diese Personengruppe auch bei der Verteilung von Schutzausrüstung ignoriert wird. Da die Assistenz- und Pflegeteams im persönlichen Budget oder die Pflege durch Angehörige nicht mit ambulanten Pflegediensten gleichgesetzt werden, besteht hier ebenfalls kein Zugang oder Abrechnungsmöglichkeit.

Damit steht dieser hoch vulnerablen Personengruppe weder der passive Schutz durch präventive Testungen noch ein alsbald verfügbarer aktiver Impfschutz zur Verfügung.

Hinzu kommt, dass der Pflegebonus für Pflegefachkräfte für Modelle der selbstbeschafften Pflege nicht zur Verfügung steht. Wir möchten betonen, dass es sich bei der Personengruppe insbesondere um intensivpflegebedürftige Menschen mit Beatmungsnotwendigkeit oder ähnlichen Behinderungen mit Pflegegrad 4 und 5 handelt, die vielmals auf eine 24h-Pflege angewiesen sind. Diese Personengruppe darf weder beim passiven noch beim aktiven Covid19-Schutz derart ignoriert und vergessen werden, wie in den letzten Monaten passiert. Wir appellieren an die Politik und Krankenkassen, schnellstens unbürokratische Abhilfe zu leisten. Diese Personengruppe befindet sich seit Monaten in dauerhafter Selbst-Quarantäne – soweit dies überhaupt möglich ist. Denn aufgrund des Hilfebedarfs ist eine Isolierung vor den Pflegepersonen gerade nicht möglich, die selbstverständlich weiterhin in ein eigenes soziales Umfeld eingebunden sind. Zudem sind viele ambulant versorgte, pflegebedürftige Personen weiterhin berufstätig, was eine langfristige Quarantänisierung ebenfalls unmöglich macht. Bei den jetzt steigenden Fallzahlen können pflegende Angehörige und selbstbeschaffte Pflegekräfte ohne Schutzausrüstung, Impfung und präventive Testung zu tödlichen Gefahren werden!

Update 15.12.2020: 

Auch bei der kostenfreien Verteilung von Schutzmasken wurden einige der hier bereits erwähnten vulnerablen Gruppen ausgenommen. In der entsprechenden Verordnung (SchutzmV) sind anspruchsberechtigt nur Personen ab vollendeten 60. Lebensjahr oder Personen bestimmter Vorerkrankungen / Symptome. Dabei fehlen allerdings einige Erkrankungen bzw. stellen die Symptomatiken eine zu große Hürde dar. Wo ohne Differenzierung sämtliche Personen ab 60 Jahren eine Schutzmaske erhalten, trifft dies für z.B. pflegebedürfte Personen, die aufgrund ihrer Pflegesituation auf körpernahe Unterstützung angewiesen sind, nicht zu. Das BMG hat auch hier junge pflegebedürftige, chronisch kranke oder behinderte Menschen vergessen. Wir fordern hier als absolutes Minimum die Aufnahme von pflegebedürftigen Personen mit Pflegegrad 4 und 5 in den anspruchsberechtigten Personenkreis für Corona-Schutzmasken.