Bundesverfassungsgericht stellt kritische Fragen zur Triage

Bundesverfassungsgericht sendet Fragen an Regierung und Sachverständige
Wie mehrere Medien¹ berichten, hat das Bundesverfassungsgericht infolge der von AbilityWatch e.V. unterstützen Verfassungsbeschwerde Fragen zur Triage und den damit verbundenen Abwägungsentscheidungen an unterschiedliche Institutionen versandt.
Im Juli hatten neun Personen der sogenannten Corona-Risikogruppe die Beschwerde² beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Sie zielt darauf, dass der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber nachkommt und verfassungsrechtlich nachprüfbare Prinzipien regelt, nach denen im Fall einer Triage zu entscheiden ist.
Zwar sah das Bundesverfassungsgericht u.a. aufgrund der geringen Infektionslage damals keine Eilbedürftigkeit, ließ aber durchblicken, dass die Thematik durchaus eine hohe verfassungsrechtliche Relevanz habe. Die Fragen bedürften aber einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich sei, so das Bundesverfassungsgericht damals in seiner Verlautbarung³.

Befragung von Sachverständigen ist ein wichtiger Erfolg
Nun versandten die Karlsruher Richter einen Fragekatalog an die politischen Institutionen wie Bundestag, Bundesrat, Kanzleramt, Ministerien und Landesregierungen. Darüber hinaus erhalten auch sachverständige Dritte wie die Bundesärztekammer, der Deutschen Ethikrat, Organisationen von Notfall – und Intensivmedizinern, der Deutsche Behindertenrat und weitere Institutionen, Sachverständige und Vereinigungen der Betroffenenvertretung Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Fragenkatalog soll die aktuelle Situation, getroffene Maßnahmen, etablierte Verfahren, analoge Regelungen in anderen Ländern, sowie Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Regelung erörtern. Bis zum 15. Dezember 2020 sind die Stellungnahmen einzureichen.
AbilityWatch ist erfreut, dass sich das Bundesverfassungsgericht detailliert mit der möglichen strukturellen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei Triage-Entscheidungen auseinandersetzt und hierfür neben klassischen Institutionen auch renommierte Institutionen der Behinderten-Selbstvertretung als Sachverständige befragt.
Der Umstand, dass sich sowohl das höchste deutsche Gericht, als auch verschiedenste Kongresse und ExpertInnen in den letzten Monate verstärkt mit den Gefahren einer auf Erfolgsaussichten abstellenden Triage für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten befassen, ist ein wichtiger Erfolg!
In diesem Zuge sei noch einmal auf den weiter aktuellen Spendenaufruf hingewiesen:
Die Finanzierung der Verfassungsbeschwerde kann durch Spenden auf das Konto von Abilitywatch e.V. (IBAN: DE62830654080004176138, Skatbank) oder bei GoFundMe gern unterstützt werden.
Weiterführende Informationen gibt es auf der Seite der Kanzlei Menschen und Rechte
Eine Sammlung mit Artikeln und relevanten Meinungsäußerung zum Thema Triage finden Sie auch auf unserer Kampagnenseite
Die gesamte Verfassungsbeschwerde – bereinigt um einige persönliche Details der Beschwerdeführer – findet sich hier: Triage-Verfassungsbeschwerde
- FAZ, 13.10.2020: Wen soll man retten – und wen sterben lassen? www.faz.net
LTO, 08.10.2020: Wie entscheiden, wer sterben muss? www.lto.de - AbilityWatch, 21.07.2020: Verfassungsbeschwerde gegen Triage-Verfahren
www.abilitywatch.de - BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2020 – 1 BvR 1541/20 -, Rn. 1-12, www.bverfg.de
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