- Der Bundesgesundheitsminister will eine Reform bei der Versorgung beatmeter Menschen. Er gibt vor Missbrauch zu bekämpfen – attackiert aber damit die Lebensqualität vieler Menschen mit Behinderung.
Jens Spahn ist ein aktiver Mann und wirbelt als Bundesgesundheitsminister durch sein Ressort. Doch sein aktuellstes Vorhaben ist wahrhaft bedrohlich. Statt Probleme zu lösen, will er sie verlagern – sprichwörtlich.
Worum geht es? Spahn plant ein Gesetz zur Reform der Pflege bei Patienten mit Beatmung, denn da sieht er Einsparpotenzial, mangelnde Qualität und Missbrauchsmöglichkeiten. Die mediale Berichterstattung blickt derweil nur auf Zahlen: „Muss ein Patient zu Hause beatmet werden, bekommen Pflegedienste etwa 20.000 Euro im Monat“, schreibt „Spiegel-Online“. Holla, denkt der Leser, ist das viel. Weiter heißt es im Text: „Das lukrative Geschäft mit Beatmungspatienten könnte Missbrauch fördern, warnt Spahn.“
Fakt ist, dass die Zahl der Beatmungen, die ambulant vorgenommen werden, gestiegen ist. Dies ist insbesondere auf verbesserte technische Möglichkeiten zurückzuführen. Und darauf, dass es mittlerweile glücklicherweise auch für schwerstbehinderte Menschen, die Beatmung benötigen, möglich ist, ein Leben mitten in der Gesellschaft zu führen. Spahn hat durchaus Recht, wenn er anmahnt, dass die ambulante Versorgung vor Problemen steht. Viele Betroffene finden kaum mehr qualifizierte Pflegedienste oder Assistenten – erst recht nicht zu den Budgets, die die Kostenträger ihnen gewähren.
Was aber plant nun Spahn konkret? Er möchte die Versorgung außerhalb von Kliniken und in Spezialeinrichtungen quasi unmöglich machen. Sein Gesetzentwurf sieht vor, dass die Intensivpflege mit Beatmung in den eigenen vier Wänden nur noch dann möglich sein soll, wenn keine klinische Versorgung möglich oder zumutbar ist. Diese Formulierung ist bereits bekannt durch andere Gesetze und liefert die Menschen an jene Sachbearbeiter aus, welche die Zumutbarkeit zu prüfen haben; in der Vergangenheit gab es eindrückliche Beispiele dafür, dass die Zumutbarkeitsregelung zum Nachteil behinderter Menschen ausgelegt und in der Praxis gelebt wird. Der Begriff öffnet einer gewissen Willkür die Tür.
Beatmung wird dargestellt als ein oft überflüssiges Instrument, welches sogar schlecht für den Menschen sei, da es ihm ein Stück seiner Unabhängigkeit raubt. Es ist richtig, dass eine Entwöhnung von der Beatmung nach Eingriffen in Krankenhäusern oft nicht konsequent probiert und zu schnell abgebrochen wird. Viele Menschen mit Behinderungen sind hingegen schlicht dauerhaft auf Beatmung angewiesen. Bei degenerativen Erkrankungen ist eine Entwöhnung beispielsweise nicht möglich. Dank des heutigen Anspruchs auf häusliche Behandlungspflege ist diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben, gesellschaftliche Teilhabe und Arbeit möglich. Spahn und sein Ministerium möchten aber genau diesen Anspruch durch ein grundsätzliches Verlegen in Spezialeinrichtungen ersetzen. Für jene Menschen heißt es nun: für immer in vollstationäre Einrichtungen. Der 40-jährige Kampf behinderter Menschen für ein Leben daheim wäre verloren.
Zudem steht zu befürchten, dass viele Betroffene zukünftig so lange wie möglich eine Beatmung hinausschieben aus Angst, ihr ambulantes, selbstständiges Leben aufgeben zu müssen. Für einige Krankheitsbilder kann dies verheerend sein.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Skandal. Er missachtet die Würde von Menschen, dringt in ihren Alltag ein und diskriminiert sie.
Vordergründig möchte das Gesetz die Qualität der Versorgung verbessern. In Wirklichkeit geht es aber um Kostensenkungen, wie die Gesetzesbegründung selbst sagt: “Durch Verbesserungen der Qualität […] verbunden mit einer regelhaften qualitätsgesicherten Leistungserbringung in vollstationären Pflegeeinrichtungen, […] oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten können im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bei voller Jahreswirkung erhebliche Minderausgaben in einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag entstehen.” (S. 18)
Auch an anderer Stelle entlarvt sich der Gesetzentwurf selbst. Auf Seite 21 heißt es: „Für diese Versicherten und ihre Angehörigen würde eine abrupte Verlegung in ein neues Umfeld eine besondere Härte darstellen.“ Abgesehen davon, dass ein erzwungenes Wechseln von einer häuslichen Pflegesituation in ein stationäres Setting wohl kaum als Verlegung bezeichnet werden kann, sieht der Entwurf vor, dass trotz der festgestellten Härte spätestens 36 Monate nach Inkrafttreten sämtliche Versicherten mit dieser Situation in stationäre Einrichtungen untergebracht sein müssen.
Der Entwurf erinnert damit an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte. Unter dem Vorwand, Gutes zu tun, werden Menschen mit Behinderung zuhause abgeholt und in Spezialeinrichtungen gesteckt – es sei ja nur in ihrem Interesse. In Wirklichkeit sollen dadurch aber über 100 Millionen Euro jährlich eingespart werden.
Menschen mit Behinderungen sollen nun den Preis für eine verschleppte Qualitäts- und Ausbildungsoffensive zahlen. Die Erkenntnis, dass es Engpässe bei der Versorgung und einen Mangel an Qualität bei der Intensivpflege gibt, ist richtig. Statt aber diese Probleme anzugehen und Menschen mit Behinderungen eine Wahlalternative zur ambulanten häuslichen Krankenpflege zu bieten, lagert Herr Spahn behinderte Menschen einfach aus – in Spezialeinrichtungen, in denen weniger Personal pro Betroffenen zur Verfügung steht und ein gesellschaftliches Leben nicht mehr möglich ist.
Gesetzesentwurf: Quelle (pdf)
Protest-Veranstaltung: Facebook
FAQ zum RISG
Blogbeitrag zur praktischen Bedeutung
Hat man in Berlin immer noch nicht kapiert, dass die Zeit der Nachkriegsbehindertenpolitik vorbei ist? Längst gibt es die Behindertenrechtskonvention, längst die Grundgesetzerweiterung des Artikel 3 “Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Und welche Kriterien für den Vergleich heranzuziehen sind, haben die Fachgerichte längst definiert. Dennoch versucht die Bundesregierung, den Zug der Zeit rückwärts laufen zu lassen. Ist man derart in der Zange der Wohlfahrtskonzerne, oder will man die afd in Sachen Behindertenpolitik zu überholen? Oder ist es ein Versuchsballon, um die Reaktionen der Behindertenbewegung und der Gesellschaft zu testen?
Auf jeden Fall ist es ein Unding, dass Menschen, die der Verfassung verpflichtet sind, solche Papiere erstellen! Jens Spahn, der in den letzten Monaten eine respektable Leistung vollbracht hat, ließ in der gleichen Zeit dieses Papier erstellen. Ist ein Minister, der sich derart an Verfassung und Gesetzen vergeht, noch tragbar?
Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, warum ausgerechnet Menschen mit Behinderung in schöner Regelmäßigkeit die geöffnete Büchse der Pandora gezeigt wird? Ist das schon als flankierende Maßnahme zum befürchteten Konjunktureinbruch zu sehen?
Die Politik setzt alle Menschenrechte außer Kraft um 30 Jahre schlechte Gesundheitspolitik zu vertuschen! Einiges ist ja toll! Doch wird hier das System ausgehöhlt durch Großkonzerne wie in der Wirtschaft! Anarchie der Großkonzerne unter Aufsicht der Politik mit den Lobbyisten am Steuer! Ich fühle mich schon viel sicherer 🤮🤮✊✊
Ich habe für diese Sache kein Verständnis.
Wieso müssen Behinderte ins Heim?
Ich habe schon andere Sachen gehört, diese behalte ich lieber für mich!
Es ist eine Schande, dass Länder, die angeblich stolz sind, eine Auflistung der Rechte der menschen bearbeitet zu haben, diese nur für gesunde und wohlhabende Menschen betrachten. Unsere Gesellschaft besteht aus Kinder, Erwachsene und Senioren, nicht aus Kranke und Gesunde. Eine Krankheit kann jeder von uns heimsuchen. Deswegen soll/muss jedem gleiche Rechte haben haben und das Leben frei gestalten zu dürfen. Wenn man eine Verteilung zwischen Gesunde und Kranke macht ist ein große Verstoß gegen die Menschheit. Dazu: die “sogenannte” behinderte Menschen sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, auf die wir nicht verzichten sollten… es sei denn man wird wie in der Vergangenheit agieren.
👏👏👏👏👏👏👏
Die Politiker wissen, dass der Pflegenotstand nicht in den Griff bekommen wird. Pflegekräfte sollen aus der ganzen Welt angeworben werden. Auf der anderen Seite wird gejammert, dass die Qualität nicht stimme. Es scheint, als wolle man die Pflegekräfte konzentrieren. Also muss man auch die zu Pflegenden konzentrieren. So kann sich eine Pflegekraft um mehrere Patienten gleichzeitig kümmern. Das spart eben Geld. Menschen mit Behinderung sind Kostenfaktoren. Die Konjunktur schwächelt. Deutschland muss aufrüsten, braucht Waffen, will das 2%-Ziel schaffen, braucht einen Flugzeugträger … Wo kann das Geld eingespart werden? Ratet mal. Ihr habt drei Versuche frei!
Und Willkür! Selbstverständlich! Willkür gehört zum Tagesgeschäft von Sozialämtern. Jedes Jahr auf’s neue erlebt. Es stört sich niemand daran. Grundrechte? Menschenrechte? Verstöße dagegen werden im Ausland angeprangert. Verstöße im Inland werden unter den Teppich gekehrt.
Vielleicht sollten Menschen mit Behinderung und vor allen jene im Rollstuhl aktuell aus Hongkong lernen und mal einen wichtigen Flughafen blockieren! Nein, nicht den BER. Es gibt andere große Flughäfen. 😉 E-Rollies machen sich besonders gut, weil besonders schwer!
Sich vor ein Ministerium zu stellen, macht nicht genug aufsehen.
Ich finde es nicht richtig das Beatmungsgerät Patienten in Heime gesteckt werden man kann sie auch zu Hase pflegen mit freundlichen Grüßen Thomas Henrichsen
Ich finde es eine Schande das man immer und immer wieder auf die Menschenrechte im eigenen Land verstößt und in anderen Ländern einfordert.
Ich habe selbst eine Schwester die seit längerem an ALS erkrankt ist und ich kann nur sagen das sie im gewohnten Umfeld besser aufgehoben ist als in irgendeiner einer Klinik oder WG
Ich habe es langsam satt das der Vater Staat Herr Spahn) sich immer in unsere Belange einmischt…
Wo beginnt bei uns selbstbestimmtes Leben… das wo Vater Staat ewig mit bestimmt?
Die Würde und Selbstbestimmung im Leben hört bei Behinderten und Alten Menschen auf…
Da diese immer verwaltet werden…
Ich selbst bin auf Hilfe angewiesen und will „Selbst
bestimmen“ wo und wie ich gepflegt werde… auch bei der Beatmung….wenn diese
mal Zuhause stattfinden sollte…..und muss…
Keine Bestimmung durch den Staat wie und wo unsere Pflege stattfinden soll und muss…
Unser Staat sollte mir mal erklären: warum ich in unterhaltsbetpflichtungen meiner Mutter – auch gleiche Behinderung wie meine…. trotz meiner Behinderung/Erbkrankheit mit einbezogen werde… wenn der Staat eh nur über mein Leben bestimmt….
Zahlen ja… Selbstbestimmung: Nein….
Der Herr Minister sollte vielleicht mal Geschichtsbücher lesen. Selektion ist also die Lösung für das Problem fehlender Pflegekräfte? Denn nichts anderes ist dieser Vorschlag! Nur wer Geld hat, wird noch ein lebenswertes Leben im eigenen zu Hause leben dürfen. Der Rest wird aussortiert. Unglaublich, solche, gegen das Grundgesetz gehenden Entwürfe… Alle Menschen sind gleich!?!?! Scheinbar nur, wenn sie eventuell noch für die Gesellschaft von nutzen sein könnten!
Wäre nett, wenn der Herr mal betroffene befragen würde. Menschen die ein schweres Schicksal ertragen müssen und die oftmals nur noch ihre Familie, ihr zu Hause haben. Wenn die dann nicht reich genug sind, sind Sie also der Klotz am Bein unserer Gesellschaft?
Wie viele Menschen bei den Versuchen, SCHNELL dekanüliert zu werden, sterben, erfassen die Kassen nicht!
Lieber zahlen wir wieder vierteljährlich 10€ beim ersten Arztbesuch im Quartal, und finanzieren so gemeinsam, ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben aller, als auf Kosten schwerst kranker und /oder behinderter Menschen, zu sparen. Und wenn Herr Spahn für bessere Bezahlung der Pflegenden sorgen würde, gäbe es auch wieder mehr davon. Dieser Minister gehört schnellstens abgesetzt… Vielleicht unternimmt er mal einen Ausflug nach Dachau oder Buchenwald? Da kann er sich gleich noch Ideen holen, wie man solche Menschen platzsparend unterbringt!
Also ich arbeite in der Intensivpflege und kann nur sagen das meine Patienten die ich bisher betreut und gepflegt habe froh waren zu Hause zu sein und nicht in irgendeiner Einrichtung mit zu wenig Personal dahin zu vegetieren. Alle waren froh zu Hause zu sein. Niemand hängt gern an einer Beatmung und schon gar nicht freiwillig. Man wünscht ja niemandem was schlechtes aber Herr Spahn sie sollten mal 1 Monate bei vollem Bewusstsein in irgendeiner Einrichtung voll beatmet dort verbringen ohne Kontakt zur Familie und Freunden den diese Einrichtungen gibt es ja leider nicht wie Sand am Meer und schon garnicht gleich um die Ecke wo man wohnt um jederzeit hin zugehen. Ziel des Gesetzes ist wahrscheinlich das viele der Menschen eventuell den Freitod wählen als unsern Staat auf der Tasche zu liegen. Ja so kann man natürlich auch Geld sparen.
Ich fordere noch mehr teilhabe von menschenm mit assistensbedarf Inder Gesellschaft und Inder polischen Landschaft und mehr beratungs Gremien mit freundlichen grüssen Thomas henrichsen
Spahn absetzen, sofort! Das ist eine Menschenrechtsverletzung im höchstem Grade! Das Menschenrecht bleibt auf der Strecke und hat nichts mit Menschenwürde zu tun! Und Das vom der SPD, SOZIAL DEMOKRATISCHE PARTEI, eine Partei nicht wählbar ist!
//Edit AbilityWatch: Herr Spahn ist Mitglied der CDU.
Jedesmal wenn ich diesen Blender sehe, bekomme ich das Grausen. Er ist und bleibt ein inkompetenter Depp.
Es gibt diverse Krankheitsbilder, wo eine Beatmung oder Hilfe zur Atmung, nötig ist, das müssen nicht nur “schwerstbehinderte” Menschen sein. Meine Mutter hat COPD, sie braucht zwischen 12 und 16 Stunden ihr Atemgerät (je nach Wetterlage und Gesamtzustand). Ein Freund (26) von mir hat Clusterkopfschmerzen. Auch er hat ein Atemgerät, dass er je nach Gesundheitszustand schon mal eine Woche lang 24 Stunden angelegt hat. Und und und…
Menschen mit ALS haben zumeist eine intakte Familienstruktur, die wunderbar funktioniert und wo der Mensch integriert ist.
Viele “schwerstbehinderte” Menschen ebenfalls.
Wenn diese Menschen nicht jetzt schon in einem Heim oder in einer WG sind, dann hat sich die Familie mit den Gegebenheiten arrangiert und kümmerst sich zu 90-100% selber um die Pflege. Die meisten zahlen aus der eigenen Tasche drauf.
Und es ist in zahlreichen Studien bewiesen, dass Menschen, wenn sie aus ihrem Umfeld gerissen werden, nicht mehr lange leben bzw sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechtert. Ist das gewollt?
Was denkt sich dieser Typ eigentlich; denkt er überhaupt nach?
Übrigens: Die AfD hatte vor einem Jahr einen ähnlichen Ansatz in ihrem Parteiprogramm. Hat er wohl abgeschrieben
Ich wurde schon gefragt, ob ich einen Tierarzt schicken kann, falls dieses Gesetz wirklich käme, da dieser ja erlösen darf, was Humanmediziner nicht dürfen. Ich erklärte, das gehe natürlich nicht, aber: Das wollte er NIE, obwohl er seit 10 Jahren die Beatmung hat. Wenn er das jetzt auf einmal will, dann sollte sich Herr Spahn fragen, ob alles in Ordnung ist politisch und rechtlich, stichwort Grundrechte.
Ich fand denn protesttag sehr gut gestaltet es müssten viel mehr.solche tage geben nicht nur einmal im jahr sondern täglich jeder an seimem oder jeder in seiner Einrichtung oder Werkstatt . Das wäre meine Forderung mit freundlichen Grüßen Thomas henrichsen